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für Angewandte Umweltforschung e.V. Innenraum-Schadstoffe · Umweltberatung · Information · Schadstoff-Forschung |
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Formaldehyd in Fertighäusern - eine IfAU-Studie
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Fertighäuser stellen beim Bau oder Erwerb einer Immobilie eine Alternative zum konventionell gebauten Massivbau aus Stein dar. Während die vergleichsweise niedrigen Erwerbs- bzw. Baukosten sowie beim Aufbau die kurze Bauzeit und die bereits vorgefertigten trockenen Bauteile Vorteile dieses Haustyps sind, wird dem möglichen Vorkommen an Schadstoffen weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Diese können in den verwendeten Baumaterialien vorhanden sein oder aus diesen freigesetzt werden.
Die in Deutschland am weitesten verbreitete Bauart von Fertighäusern ist die Tafelbauweise. Sie ist eine konstruktive Variante des Holzrahmenbaus, bei der die Wand- und Deckentafeln im Werk vorgefertigt, beidseitig beplankt und mit Wärmeschutz versehen werden. Die Last des Hauses wird nicht vom Holzskelett, sondern von der kompletten Wand getragen. Dabei bestehen die Wände aus Holzständerwerk, das früher mit Pressspanplatten verkleidet wurde. Heute werden zur Bekleidung auch OSB-Platten, Bau-Furniersperrholz oder Mehrschichtplatten verwendet. Zur Außenseite hin ist eine Deckelschalung auf Konterlattung aufgebracht, während die Innenwand moderner Häuser nochmals gedämmt und mit Gipsplatten versehen sein kann. Die Hohlräume der Wände sind mit Dämmaterial wie Steinwolle oder Isofloc gefüllt, die Luft kann darin ungehindert zirkulieren. Durch diese besondere Bauweise können sich ungünstige raumhygienische Bedingungen ergeben.
Das wesentliche Baumaterial bei älteren Fertighäusern ist Pressspan. Dieser besteht aus Holzspänen, die mit einem Kunstharz als Bindemittel versetzt sind. Bei dem Kunstharz handelt es sich in der Regel um Formaldehyd-Harnstoff-Harze, wobei für spezielle Einsatzgebiete wie zum Beispiel Feuchträume oft ein Formaldehyd-Phenol-Harz eingesetzt wird. Unter Anwesenheit von Wasser wird Formaldehyd vom Bindemittel hydrolytisch abgespalten, die normale Luftfeuchtigkeit als Feuchtigkeitsquelle reicht dazu bereits aus. Je nach Zusammensetzung des Bindemittels kann es dadurch zu einer Formaldehyd-Freisetzung und einem Eintrag in die Raumluft kommen, dessen Menge über die Jahrzehnte hinweg nur geringfügig abnimmt. Je höher die Luftfeuchte und die Temperatur sind, desto höher ist die Formaldehyd-Abgabe.
Formaldehyd ist ein Reizgas, das hauptsächlich akut wirkt und Reizungen der Augen,- Nase- und Atemwegsschleimhäute auslöst. Daneben besitzt es ein allergisierendes und krebserzeugendes Potenzial. Nähere Informationen zu Formaldehyd können Sie unserer Infoseite Formaldehyd entnehmen.
Welche Formaldehyd-Konzentration sich in der Raumluft in einem Fertighaus einstellt ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Zu den physiko-chemischen Bedingungen gehören Luftfeuchtigkeit, Temperatur und die Diffusionseigenschaften der Werkstoffe, die von der Beschaffenheit der Platten und der Oberflächenbeschichtung abhängen. Hersteller- und konstruktionsabhängige Faktoren sind der Haustyp, die Bauart, die eingesetzten Materialien und die Raumbeladung (das Verhältnis der Menge bzw. Fläche von Formaldehyd-haltigem Werkstoff zum Zimmervolumen). Die auf anderen Gebieten vorteilhafte Holzständerkonstruktion der Fertigbauteile wirkt sich bei der Verteilung von luftgetragenen Schadstoffen negativ aus. Die Wand- und Deckenhohlräume in Fertighäusern sind meist nicht voneinander isoliert, sodass ein Luftaustausch zwischen verschiedenen Räumen und über mehrere Stockwerke hinweg stattfinden kann. Als treibende Kraft wirkt dabei die natürliche Konvektion aufgrund von Wärmeunterschieden oder der Winddruck von außen. Unangenehme Gerüche oder Schadstoffe aus Bauteilen können sich so ungehindert verbreiten und an allen Stellen austreten, an denen die Innenwandflächen durchbrochen sind: aus nicht winddichten Steckdosen, Dübellöchern, Löcher von nachträglich eingezogenen Kabeln oder undichte Stoßfugen. In mehreren Fällen aus eigener Praxis konnte z.B. im Dachgeschoss eines Fertighauses Heizölgeruch festgestellt werden, der vom Öltank im Keller herrührte.
In einer IfAU-Studie haben wir bisher 64 Fertighäuser von verschiedenen Herstellern (Bien, Fingerhut, Fischer, Nordhaus, Okal, Rasterbau, Schick, Streif, Weber, Zenker) und aus unterschiedlichen Baujahren (1963 - 1998) anlassbezogen auf Formaldehyd untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass in 26 Häusern (41 %) der derzeitige Richtwert von 120 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) überschritten wurde. Teilweise erreichten die gemessenen Konzentrationen sogar das 3-fache dieses Wertes. Neben dem Messwerte-Spektrum hat uns auch interessiert, ob sich eine Abhängigkeit zwischen Raumluft-Konzentration und Baujahr bzw. Hersteller feststellen lässt. Diese Betrachtungen haben aufgrund der relativ geringen Fallzahlen zunächst vorläufigen Charakter.
Eine unmittelbare Korrelation zwischen Formaldehyd-Konzentration und Baujahr hat sich aus unserer Studie nicht ergeben (Diagramm 1), jedoch legt die Verteilung der Messwerte ein gewisses Maximum zwischen 1970 und 1980 nahe. Es gibt weiterhin Gründe, die eine Verringerung der gemessenen Konzentrationen hin zu jüngeren Baujahren nahelegen. Dazu zählt insbesondere die Einführung der E1-Richtlinie Anfang der 80er Jahre, die einen verstärkten Einsatz Formaldehyd-armer Spanplatten einleitete. Eine E1-Platte darf unter bestimmten Prüfbedingungen nur so viel Formaldehyd abgeben, dass sich in der Prüfkammer eine Konzentration von 0,1 ppm (Parts per Million bzw. Milliliter pro Kubikmeter Raumluft) einstellt. Dieser Umstand wird aber zumindest für einige Jahre nach 1980 durch die Tatsache relativiert, dass Kontrollmessungen von Prüfinstituten ergaben, dass viele mit E1 ausgezeichnete Spanplatten ihr Versprechen nicht hielten und mehr Formaldehyd emittierten als angegeben. In Deutschland ist inzwischen der Vertrieb von Spanplatten der höheren Emissionsklassen E2 oder E3 laut Gefahrstoffverordnung verboten.
Diagramm 1. Formaldehyd-Konzentrationen in der Raumluft von Fertighäusern, sortiert nach Baujahr.
Auch der Rückschluss von einem Hersteller auf zu erwartende Luftkonzentrationen ist generell nicht möglich (Diagramm 2). Von den Herstellern A, B und L wurden mehrere Fertighäuser untersucht. Dabei finden sich sowohl Gebäude mit Konzentrationswerten unter 120 µg/m³ Formaldehyd als auch solche mit Werten darüber. Deshalb muss jedes Haus individuell betrachtet und beprobt werden, wenn erhöhte Formaldehyd - Konzentrationen befürchtet werden.
Diagramm 2. Formaldehyd-Konzentrationen in der Raumluft von Fertighäusern, sortiert nach Herstellern (A - K).
Die Kenntnis möglicher Schadstoffe in Fertighäusern ist sowohl für die Bewohner als auch für potenzielle Kaufinteressenten sehr wichtig. Sanierungsmaßnahmen zur Schadstoffverringerung im Fertighaus, falls erforderlich, sind sehr aufwendig und oftmals mit vertretbarem Aufwand nicht durchführbar. Bei einer Wohnraumbegehung durch einen Experten kann festgestellt werden, ob es einen Verdacht auf Schadstoffe gibt und wie dieser durch gezielte Messungen geklärt werden kann.
Allgemeine Informationen zu Schadstoffen in Fertighäusern haben wir auf einer besonderen Infoseite zusammengestellt
Für weitere Informationen und eine kostenlose Beratung können Sie gerne telefonisch oder per E-Mail Kontakt mit uns aufnehmen. Für Fertighäuser bieten wir den speziellen IfAU-Check® - Fertighaus an, bei dem die in Fertighäusern am häufigsten auftretenden Schadstoffe untersucht werden.
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