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Nase
Reiz- und Riechstoffe im Innenraum

Thema: Aldehyde

Verfasser: Herbert Obenland,ARGUK-Umweltlabor, Krebsmühle 1, 61440 Oberursel
Thilo Kerber, IfAU-Institut für Angewandte Umweltforschung e.V., Oberursel
Kontakt Herbert Obenland, obenland@arguk.de

Schlagworte: Aldehyde, Reizstoffe, Geruch, Reizungen, Raumluft, Hausstaub, IFAU-Orientierungswerte

 


Studie zu Vorkommen von Aldehyden in Raumluft und Hausstaub

Inhaltsverzeichnis

Überblick
Chemische Struktur, Stoffeigenschaften und technische Verwendung von Aldehyden
Aldehyd-Quellen im Innenraum
Gesundheitliche Gefährdungen durch Aldehyde
Material und Methoden
Ergebnisse und Diskussion
IfAU-Orientierungswert für Aldehyde in Raumluft und Hausstaub
Schluss
Literatur

 

Chemische Struktur und Stoffeigenschaften von Aldehyden

Allgemeine Strukturformel rcho.gif (1299 bytes)

wobei R sein kann

= H
= Alkylrest, gesättigt oder ungesättigt
= Alicyclischer Rest
= Aryl- oder aromatischer Rest

Die Aldehyd-Gruppe -C(=O)H macht die Aldehyde sehr reaktionsfreudig und begründet die hohen Geruchsintensitäten.

 

Nomenklatur

Aldehyde mit 1-2 C-Atomen werden als niedere oder kurzkettige Aldehyde, solche mit 3-5 C-Atomen als mittlere oder mittelkettige Aldehyde und alle über 5 C-Atomen als höhere oder langkettige Aldehyde bezeichnet.

Tab. 1: Nomenklatur, Siedepunkte und Struktur der Aldehyde dieser Studie.

Anzahl
C-Atome
IUPAC-Bezeichnung Trivialnamen Siedepunkt in °C gesättigt (g)
unverzweigt (u)
verzweigt (v)
aromatisch (a)
1 Methanal Formaldehyd   -19,5 g / u
2 Ethanal Acetaldehyd 21 g / u
3 Propanal Propionaldehyd
Propylaldehyd
48 g / u
4 2-Methyl-Propana Isobutanal
Isobutyraldehyd
Methyl-Propionaldehyd
64 g / v
5 Butanal Butyraldehyd 75 g / u
5 2-Methyl-Butanal Isopentanal
Isovaleral
Methyl-Butyraldehyd
91 g / v
5 3-Methyl-Butanal Isopentanal
Isovaleral
Methyl-Butyraldehyd
Isoamylaldehyd
90 g / v
5 Pentanal Valeraldehyd
Amylaldehyd
103 g / u
6 Hexanal Caprylaldehyd
Hexaldehyd
131 g / u
7 Heptanal Oeanantaldehyd
Heptaldehyd
Heptylaldehyd
153 g / u
7 Benzaldehyd   179 a
8 Octanal Caprylaldehyd
Octylaldehyd
171 g / u
9 Nonanal Pelargonaldehyd
Nonylaldehyd
93
(23 mm Hg)
g / u
10 Decanal Caprinaldehyd
Decylaldehyd
208 g / u

 

Stoffeigenschaften und technische Verwendung

Bei Raumtemperatur und als Reinsubstanzen sind die niederen Aldehyde gasförmig (Formaldehyd/Methanal) bzw. überwiegend gasförmig (Acetaldehyd/Ethanal). Die mittleren und höheren Aldehyde aus dieser Studie sind Flüssigkeiten.

Während die niederen bis mittleren geradkettigen Aldehyde durchweg stechende, beißende und erstickend wirkende Geruchsnoten aufweisen, überwiegen bei den höheren Aldehyden ebenso wie bei den verzweigten mittleren Aldehyden fruchtig-ranzige bis seifig-fettige Gerüche. Diese Geruchscharakteristiken beziehen sich jeweils auf die Reinsubstanz. Ein konkreter Geruchseindruck im Alltag ist jedoch so gut wie immer das Ergebnis des Zusammenwirkens verschiedener geruchsaktiver Substanzen als Spurenbestandteile der Luft. Dabei kann es zu gegenseitigen Verstärkungen einzelner Geruchsnoten ebenso kommen wie zu dämpfenden Überlagerungen und weitgehenden Abwandlungen der spezifischen Geruchsnoten der einzelnen am Gemisch beteiligten Geruchstoffe.

Zudem variieren die Geruchsqualitäten der meisten geruchsaktiven Stoffe in Abhängigkeit von deren Konzentration in der Luft. Das erklärt den Umstand, dass die höheren Aldehyde aus dieser Studie überwiegend in der Parfümindustrie technische Verwendung finden, während sie als Bestandteile der Innenraumluft maßgeblich verantwortlich sind für dumpfe, muffige, ranzige Geruchseindrücke, die zusammenfassend als "schlechte Luft" wahrgenommen werden.

Formaldehyd hat von allen Aldehyden die größte technische Bedeutung. Der Schwerpunkt seiner Verwendung liegt in der Herstellung von verleimten Hölzern und Kunstharzen. Außerdem ist er ein weitverbreitetes Desinfektions- und Konservierungsmittel. Auch Acetaldehyd ist eine bedeutende Industriechemikalie und dient als Lösemittel ebenso wie als Zwischenprodukt, z.B. bei der Herstellung von Essigsäure. Die mittleren Aldehyde finden hauptsächlich Anwendung als industrielle Zwischenprodukte bei der Gummi-, Kunstharz- und Kunststoffproduktion.

Nahezu alle Aldehyde aus dieser Studie sind gemäß Kennzeichnung nach Gefahrstoffverordnung Stoffe mit reizendem Potenzial für die Augen, die Schleimhäute der oberen Atemwege und die Haut.

Tab. 2: Geruchsnoten, Geruchsschwellen und Reizpotenzial

IUPAC-Bezeichnung Geruchsnoten Geruchsschwelle
[mg/m³]
Reizpotenzial*
R-Sätze gemäß GefStV
Methanal stechend, beißend 1100  
Ethanal stechend, beißend 340 36 / 37
Propanal erstickend, scharf, stechend, fruchtig 14 36 / 37 / 38
2-Methyl-Propanal durchdringend, stechend   36 / 37
Butanal süßlich, ranzig 28  
2-Methyl-Butanal     36
3-Methyl-Butanal durchdringend, stechend, apfelig, malzig   36
Pentanal süßlich, ranzig 22  
Hexanal ranzig 58 36 / 37 / 38
Heptanal durchdringend, fruchtig, fettig 23 36 / 37 / 38
Benzaldehyd Bittermandel 190  
Octanal seifig, ranzig 7  
Nonanal seifig, fettig 14 36 / 38
Decanal seifig 6 36 / 37 / 38

* 36: reizt die Augen; 37: reizt die Atemwege; 38: reizt die Haut

Quelle:  L.K. Jensen et al. (2001) Health evaluation of volitle organic compound (VOC) emissions from wood and wood-based materials. Archives of environmental health, vol. 56, no. 5, pp. 419-432

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Aldehyd-Quellen im Innenraum

Formaldehyd

Formaldehyd zählt zu den herausragenden und bestbekannten Schadstoffen im Innenraum. Aufgrund seiner großen technischen Bedeutung bei der Herstellung von Bauprodukten und Möbeln erfolgt sein Eintrag in Wohn- und Büroräume im wesentlichen durch Emission aus solchen Produkten. Aber auch Tabakrauch und Desinfektionsmittel (Haushaltsreiniger) sind bedeutende Quellen. Nach JURVELIN et al (2003) übertrifft die mittlere innerhäusige Luftbelastung mit Formaldehyd die mittlere außerhäusige Luftbelastung mit diesem Stoff um das 13-fache. Die mittlere innerhäusige Belastung beträgt mit 45 µg/m3 71% des Wertes von 63 µg/m3, der nach Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei Dauerbelastung nicht überschritten werden sollte. JURVELIN hat seine Daten in Helsinki erhoben. In unserer Studie mit Proben aus dem Rhein-Main-Gebiet liegt die mittlere innerhäusige Belastung mit Formaldehyd mit 55 µg/m3 noch deutlich höher.

Acetaldehyd

Für Acetaldehyd liegen uns keine Informationen vor, die direkte Quellen für Raumluftbelastungen mit diesem Stoff benennen. Dessen ungeachtet liegen nach JURVELIN et al (2003) auch für diesen Aldehyd die innerhäusigen Belastungen der Luft beim 7-fachen der außerhäusigen. Acetaldehyd ist zwar ein menschliches Stoffwechselprodukt, doch dies erklärt diesen großen Abstand nicht. Wahrscheinlich speist sich ein Großteil der innerhäusigen Luftbelastung mit Acetaldehyd aus indirekten Quellen wie ungesättigten Flüchtigen Organischen Verbindungen (VOC), Fettsäuren und Aminosäuren, die durch oxidativen, enzymatischen und mikrobiellen Abbau bevorzugt Aldehyde liefern.

Geradezu als ein Reaktor für solche Umwandlungsprozesse scheint sich nach den Ergebnissen dieser Studie der Hausstaub zu erweisen. Unter den flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) im Siedepunktsbereich von 20°-260°C, die sich im Hausstaub nachweisen lassen, stellen die Aldehyde im Mittel ca. 75% der Gesamtbelastung. Ungefähr 30% entfallen dabei allein auf Acetaldehyd und weitere ca. 20% auf die ebenso wie Acetaldehyd als "Strecker-Aldehyde" bekannten verzweigten Aldehyde 2-Methylpropanal, 3-Methylbutanal und 2-Methylbutanal. (Einzelheiten hierzu siehe Kapitel: "Vorkommen in Hausstaub"). "Strecker-Aldehyde" sind in der Lebensmittelchemie als Eiweißabbauprodukte bekannt und als Verursacher von Fehlaromen gefürchtet. Hausstaub (<2mm-Fraktion) besteht bis zu 70% aus organischer Substanz (ARGUK, 2003). Diese enthält den "Brennstoff", der den Hausstaub zum Aldehyd-Generator machen kann, wenn die Randbedingungen günstig sind für diesen Prozeß.

Mittlere und höhere Aldehyde

Die höheren Aldehyde aus dieser Studie haben ebensowenig wie die mittleren Aldehyde originäre bau- und einrichtungstechnische Quellen für ihr Auftreten im Innenraum. Auch sie sind vorwiegend Umwandlungsprodukte von Vorläufersubstanzen. Herausragende Bedeutung kommt hier den ungesättigten Fettsäuren zu, die als Trocknungs- und Bindemittel in Anstrichen und Bodenbelägen (Linoleum) großflächige Anwendung in Innenräumen finden und bei ausreichendem Sauerstoffangebot und günstigen thermischen Verhältnissen zu höheren Aldehyden abgebaut werden. CHANG et al. haben in Kammertests gezeigt, dass die sehr geruchsaktiven höheren Aldehyde wie z.B. Hexanal bereits in der Trocknungsphase von Alkydharz-Anstrichen aus diesen emittieren, obwohl in den Anstrichen selbst vor ihrer Ausbringung keines der fraglichen Aldehyde nachweisbar war (CHANG et al, 1998).

WESCHLER berichtet von Kammerexperimenten, bei denen handelsübliche Tapeten raumtypisch verklebt und innenraumübliche Ozon-Konzentrationen von 35 ppb/75 µg/m³ alternierend mit Null-Ozon-Konzentrationen eingestellt wurden. Die Luftwechselrate betrug 1/h. Ohne Ozon in der Kammerluft waren zu Beginn des Experiments und in den sieben Tagen darauf keine höheren Aldehyde in der Kammer nachweisbar. Nach Einstellen der genannten Ozon-Konzentration von 35 ppb / 75 µg/m3 und einer Verweilzeit von acht Tagen waren in der Kammerluft von Hexanal bis Decanal alle höheren Aldehyde im unteren µg/m3-Bereich nachweisbar. Das Abstellen der Ozon-Zufuhr ließ die Aldehyd-Konzentrationen innerhalb von weiteren neun Tagen deutlich absinken, während sie mit erneutem Einstellen der innenraumüblichen Ozon-Konzentration wieder anstiegen. Auch die Konzentrationen von Formaldehyd und Acetaldehyd folgten diesem Rhythmus. Während die Formaldehyd-Konzentrationen in Anwesenheit von Ozon um etwa den Faktor 3 anstiegen, zeigten die Acetaldehyd-Konzentrationen gar Anstiege bis zum Faktor 20.

Invers hierzu verliefen die Konzentrationen einiger ausgewählter ungesättigter VOC wie Styrol und 4-Phenylcyclohexen. In Anwesenheit von Ozon sanken sie auf ein Drittel bis auf ein Zehntel des Vor-Ozon-Niveaus. WESCHLER fasst die Ergebnisse seines Experiments wie folgt zusammen: "Formaldehyd und Acetaldehyd sind übliche Produkte der Reaktion von Ozon mit ungesättigten VOCs. Deshalb wurde der Anstieg ihrer Konzentrationen in Gegenwart von Ozon erwartet. (...) Die homologe Reihe von C5- bis C10-Aldehyden ist keine typische Konsequenz der Reaktion von Ozon mit 4-Phenylcyclo-hexen, 4-Vinylcyclohexen, Styrol (...) Der Reaktionspartner könnten entweder mittelflüchtige organische Verbindungen (SVOC) wie ungesättigte Fettsäuren oder schwerflüchtiges Material wie Polymere mit einem gewissen Grad an ungesättigten Bindungen sein." (WESCHLER, 1992)

Aldehyd-Vorläufersubstanzen

Aldehyd-Belastungen im Innenraum sind, so lässt sich resümieren, mit Ausnahme von Formaldehyd in der Regel nicht auf direkte Emissionsquellen zurückzuführen, sondern müssen als Folge der Umwandlung vornehmlich ungesättigter Verbindungen wie Alkene, Terpene und ungesättigter Fettsäuren sowie auch von Aminosäuren aus dem Eiweiß-Abbau verstanden werden. Dementsprechend muss bei dem Bemühen, Aldehyd-Belastungen in Innenräumen einzudämmen, besondere Aufmerksamkeit auf Bauwerkstoffe und Einrichtungsgegenstände verwandt werden, die Aldehyd-Vorläufer freisetzen können. Zu nennen wären hier vornehmlich Alkydharz-Anstriche, Leinöl-Anstriche, Linoleum-Produkte, Produkte aus Styrol-Butadien-Gummi, PVC-Produkte, Wachse und Öle mit Anteilen ungesättigter Fettsäuren sowie Terpenrezepturen aller Art.

Da die Aldehyd-Produktion aus diesen Vorläufer-Quellen stark sauerstoff- resp. ozongesteuert ist, muss im Sommer mit höheren Belastungen als im Winter gerechnet werden. Und noch ein weiterer Aspekt ist charakteristisch für den zeitlichen Verlauf von Aldehyd-Belastungen der Raumluft: Während andere VOC-Belastungen aus direkten Emissionsquellen im Laufe der Zeit abklingen, steigen die aus indirekten Quellen produzierten Aldehyd-Belastungen im Laufe der Zeit eher an. REISER et al (2002) haben in 3 Räumen, von denen 2 einen neuen PVC-Bodenbelag und einer einen neuen Linoleum-Bodenbelag erhielten, zwei Jahre nach dieser Massnahme und veranlasst durch anhaltende Beschwerden der RaumnutzerInnen (Müdigkeit, Kopfschmerzen, schlecht riechende Luft) die Raumluft auf VOC einschliesslich höherer Aldehyde geprüft. Diese Prüfung wiederholten sie ein halbes Jahr später. Die Ergebnisse zeigten einen Rückgang der gesamten VOC-Belastung um den Faktor 2-3 in diesem Zeitraum, während Hexanal und Nonanal in dem Raum mit Linoleum-Boden um das 5-bzw. 3-fache anstiegen. Auch in beiden Räumen mit PVC-Boden verdoppelte sich die Nonanal-Belastung, während die Hexanal-Belastung im selben Mass wie die Belastung mit anderen VOC abfiel.

Die vom "Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten" (AgBB), der beim Umweltbundesamt angesiedelt ist, erarbeitete "Vorgehensweise bei der gesundheitlichen Bewertung der Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen ( VOC und SVOC ) aus Bauprodukten" beachtet in ihrer Fassung von Juni 2003 die Realität der Produktion von Aldehyden aus Vorläufersubstanzen bedauerlicherweise nicht ( AgBB, 2002/2003 ). Dies kann zu gravierenden Fehlbeurteilungen führen. Produkte, die sich im vorgesehenen Kammertest unter Reinluftbedingungen aldehyd-unauffällig zeigen, können sich ohne weiteres in der späteren Anwendung als indirekte Aldehyd-Quelle erweisen und dauerhafte Probleme verursachen.

Inwieweit die im Hausstaub durch oxidativen, mikrobiellen und enzymatischen Abbau von ungesättigten Fettsäuren, Aminosäuren und Peptiden generierten Aldehyde, die von Formaldehyd bis Decanal reichen und gestreckte Ketten ebenso umfassen wie verzweigte, einen Beitrag zur Belastung der Raumluft mit diesen Verbindungen leisten, ist noch unklar. Vieles deutet darauf hin, dass der hochgradig adsorptive Hausstaub diese Stoffe gut festhält. ROTHENBERG et al (1989) haben festgestellt, dass z.B. Formaldehyd in weit höherem Masse von Hausstaub adsorbiert wird, als dies durch Betrachtung der spezifischen Oberfläche vorhersagbar ist. Auch die Desorption erfolgt nach diesen Autoren unerwartet langsam. Sie vermuten, dass dies auf die Reaktion des Aldehyds mit Oberflächen-Feuchtigkeit, auf seine Adsorption in feinen Poren und auf chemische Reaktionen mit der Oberfläche zurückzuführen ist. Desweiteren schlussfolgern diese Autoren daraus, dass Hausstaub als Träger von Formaldehyd auftritt und dieser über lungengängige Partikel bis in tiefere Zonen der Lunge transportiert werden und dort mit Lungenzellen reagieren kann. ROTHENBERG et al stützen ihre Studien auf Formaldehyd, der aus der Gasphase an Hausstaub adsorbiert wird. Für Aldehyde, die unmittelbar in Hausstaub produziert werden, müssen ihre Befunde erst recht Gültigkeit besitzen. Wir gehen deshalb davon aus, dass die in unserer Studie festgestellte Hausstaub-Belastung mit Aldehyden Ergebnis einer Gleichgewichtseinstellung ist, somit im Hausstaub verbleibt und über diesen als Trägermedium und dessen Deposition auf der Haut sowie auf den Schleimhäuten der oberen und unteren Atemwege Wirkung zeigt. Prinzipiell gelten für die Eindämmung der Aldehyd-Belastung des Hausstaubes dieselben Empfehlungen wie in Bezug auf die Raumluft. Darüber hinaus ist es sicher hilfreich, die Zonen besonders hoher organischer Einträge in den Hausstaub (Küche, Bad, Schlafraum, Pausenraum) von den anderen Zonen des Wohnens und Arbeitens getrennt zu halten und in höherer Frequenz feucht zu entstauben.

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Gesundheitliche Gefährdungen durch Aldehyde

Augen und Atemwegsreizungen

Die für Aldehyde charakteristische, sehr reaktionsfreudige Carbonyl-Gruppe im Molekül vermag mit den freien Aminogruppen der Eiweißbestandteile der Schleimhautoberflächen zu reagieren und entzündliche Prozesse auszulösen. Einige Aldehyde, unter ihnen Formaldehyd, sind als Kontaktallergene eingestuft und können allergische Sensibilisierungen auslösen.

Die Wirkschwelle für Augenreizungen liegt für Formaldehyd bei 60 µg/m3 (LAHL 1984). Sie liegt damit sehr nahe an den mittleren Belastungen der Innenraumluft, wie sie in dieser Studie ebenso wie in internationalen Vergleichsstudien ermittelt wurden (JURVELIN 2003; REIS 1995, ZHANG 1994). Die Wirkschwelle für Atemwegsreizungen liegt mit 120 µg/m³ (LAHL 1984) in Höhe des 90.Perzentils der Formaldehyd-Belastung aus der hier vorgelegten Studie.

Für Acetaldehyd, Propanal, Butanal und Pentanal ergeben sich nach ALARIE et al (1986) Schwellenwerte für Augen- und Atemwegsreizungen von 350, 180, 85 und 39 mg/m³. Unter Einbeziehung eines Sicherheitsfaktors von 10 zum Schutz empfindlicher Personengruppen ergäben sich aus diesen Daten folgende Wirkschwellen für Augen- und Atemwegsreizungen: Acetaldehyd 35 mg/m³; Propanal 18 mg/m³; Butanal 8,5 mg/m³ und Pentanal 3,9 mg/m³. Für diese Aldehyde liegt demnach die Wirkschwelle für Augen- und Atemwegsreizungen um zwei bis drei Größenordnungen höher als bei Formaldehyd. Gleichzeitig ist zu erkennen, dass ab Acetaldehyd die Reizschwellen mit zunehmender Kettenlänge des Aldehydmoleküls in einer gewissen Regelmäßigkeit absinken. COMETTO -MUNIZ et al (1998) dokumentieren diese Regelmäßigkeit auch bezüglich der höheren Aldehyde.

Geruchsbelästigungen

Für die Geruchsschwellen gilt ebenfalls, dass sie mit zunehmender Kettenlänge des Aldehydmoleküls in einer gewissen Regelmäßigkeit absinken (vgl. Tab. 2). Sie liegen ca. 1 - 2 Größenordnungen unterhalb der Reizschwellen und ragen deutlich in den Bereich mittlerer Belastungen der Innenraumluft hinein (vgl. Tab. 2 u. 3). Da die Aldehyde als Abbauprodukte von Vorläufersubstanzen niemals einzeln, sondern immer vergesellschaftet miteinander auftreten und sich ihre Geruchspotenziale additiv zueinander verhalten (GUADAGNI et al. 1963), kann es auch dann schon deutlich und unangenehm nach Aldehyden riechen, wenn alle Einzelstoffe in ihrer Konzentration unterhalb ihrer Geruchsschwellen bleiben (vgl. Tab. 2 und 3 sowie Gleichung 1).

Aldehyde sind konstitutiver Bestandteil der Innenraumluft. Sie prägen den Gesamteindruck von Geruch und Luftqualität in Innenräumen wesentlich mit. Aldehyden kommt deshalb in Büros und Wohnungen eine hohe gesundheitliche Bedeutung zu. Insbesondere die höheren Aldehyde können bereits in innenraumüblichen Konzentrationen Gerüche verbreiten, die durchweg unangenehm bis widerwärtig erscheinen. Die Luft erscheint als "schlecht". Es riecht dumpf, käsig, faulig, alt und abgestanden. Unwillkürlich vermutet der Mensch darin eine Gefahr.

HUTTER et al verweisen darauf, dass dem Geruchssinn eine wesentliche Bedeutung als Informations- und Warnsystem zukommt. "Der Reiz wirkt als Signal für erhöhte Aufmerksamkeit. Immer, wenn Gerüche über das Riechhirn ´Alarmsignale´setzen, sind sie als Stressoren anzusehen, die

Stressreaktionen im Organismus auslösen können. In der Folge kann es zu einer vegetativen Gleichgewichtsverschiebung (zwischen ergotropher und tropotropher Reaktionslage) bis hin zur Belastung (Stressphänomen) kommen. Daher stehen nicht die akuten gesundheitlichen Schäden im Vordergrund, sondern die durch Gerüche verursachten Belästigungen. Als Belästigungsreaktion treten im Sinne psychologischer Abwehrmechanismen Symptome wie Allgemeines Unbehagen, Gereiztheit bis Niedergeschlagenheit auf. (...) Ist die Exposition lang anhaltend, können sich über Stressmechanismen psychosomatische Wirkungen bzw. Erkrankungen entwickeln." (HUTTER et al, 1998) Die selben Autoren berichten, dass geruchsbelästigte Umweltpatienten häufig unspezifische zentralnervöse Symptome wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit, Reizbarkeit und Müdigkeit sowie unspezifische Reizsymptome im Bereich der oberen Atemwege, der Augen und der Haut nennen.

Kopfdruck und Konzentrationsschwäche

Auch die Belastung des Hausstaubs mit Aldehyden ist offenbar nicht ohne Einfluss auf den Gesundheitszustand von Dauer-Exponierten. GYNTELBERG et al berichten in einer Studie über den Zusammenhang von Sick-building-Beschwerdebildern mit Hausstaub-Eigenschaften von signifikanten Korrelationen zwischen der Nennung von Kopfdruck, Konzentrationsschwäche und Halskratzen einerseits und der Belastung des Hausstaubs mit TVOC (Total Volatile Organic Compounds) andererseits. (GYNTELBERG et al, 1994) TVOC umfasst nach ihrer Definition Stoffe im Siedepunktsbereich von 60°-270°C. Zwei Autoren dieser Studie erläutern in einer weiteren Arbeit die Zusammensetzung von TVOC in Hausstaub und nennen als dominierende Bestandteile C4- bis C10-Aldehyde sowie C2- bis C14-Fettsäuren (WOLKOFF et al, 1994).

Unsere hier vorgelegte Studie bestätigt ebenso wie unsere "Studie zum Vorkommen von Fettsäuren in Hausstaub und Raumluft" die Befunde von WOLKOFF et al und greift insofern noch über sie hinaus, als unser TVOC-Siedepunktspektrum bei 20°C beginnt und damit Acetaldehyd und Propanal mit einschliesst. Formaldehyd im Hausstaub musste aus analytischen Gründen mit gesondertem Verfahren bestimmt werden.

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Material und Methoden

In dieser Studie wurde ein Kollektiv aus n = 34 Raumluftproben sowie ein Kollektiv aus n= 15 Hausstaubproben untersucht. Die Luftproben stammen aus Privathaushalten und Büros und wurden 2001 dem laufenden Laboreingang entnommen. Die Probenahme erfolgte durch unser Personal. Dabei wurden die Zielstoffe aus 100 L Probevolumen an DNPH-dotiertes Silicagel adsorbiert, mit Acetonitril desorbiert, ein Aliquot mittels HPLC und UV-Detektion analysiert und der Gehalt der Zielsubstanzen gegen externe Standards quantitativ bestimmt.

Die Hausstaubproben stammen ebenfalls aus Privathaushalten und Büros. Sie wurden wie die Luftproben dem laufenden Laboreingang 2001 entnommen. Die Probenahme erfolgte entweder durch die Bewohner oder durch unser Personal. In beiden Fällen war sichergestellt, dass die Räumlichkeiten zunächst gereinigt und danach Staub über sieben Tage zusammengekommen war, der danach in einen frischen Staubsaugerbeutel aufgenommen wurde. Im Labor wurde der Staub gesiebt (<2mm) und ein Teil davon mittels multipler Headspace-Extraktion bei 90°C extrahiert und mittels GC/FID analysiert. Der Gehalt der Zielsubstanzen wurde gegen externe Standards quantitativ bestimmt. Zur Bestimmung von Formaldehyd wurde ein Teil der Probe sauer wasserdampfdestilliert und im Destillat fotometrisch Formaldehyd bestimmt.

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Ergebnisse und Diskussion

Aldehydvorkommen in der Raumluft

Die statistischen Kenngrössen der von uns in der Raumluft untersuchten Aldehyde sind in Tab. 3 wiedergegeben. Konzentrationen kleiner oder in Höhe der Bestimmungsgrenzen wurden mit der Hälfte der Bestimmungsgrenze in die Statistik einbezogen. In Abb. 1 sind die Verteilungen grafisch in Form von Box- und Whisker-Plots dargestellt.

Tab. 3: Vorkommen von Aldehyden in der Raumluft (n = 34).

IUPAC-Bezeichnung BG Spannweite MW Median 90. Perz.
Methanal 0,1 7,8 - 139 54,9 50,0 133
Ethanal 0,1 6,0 - 70,0 26,0 22,4 59,2
Propanal 0,1 0,5 - 6,5 2,1 2,0 4,1
2-Methyl-Propanal 0,1 n.d. n.d. n.d. n.d.
Butanal 0,1 1,0 - 7,9 2,9 3,0 6,7
2-Methyl-Butanal 0,1 n.d. n.d. n.d. n.d.
3-Methyl-Butanal 0,1 n.d. n.d. n.d. n.d.
Pentanal 0,1 1,0 - 12,0 4,1 3,3 9,8
Hexanal 0,1 1,0 - 45,0 10,3 7,9 22,6
Heptanal 0,1 <0,1 - 9,6 1,7 0,83 5,1
Benzaldehyd 0,1 1,0 - 12,0 3,7 3,5 6,6
Octanal 0,1 <0,1 - 9,6 2,3 1,8 5,4
Nonanal 0,1 0,63 - 52,1 12,8 7,3 46,8
Decanal 0,1 <0,1 - 30,0 3,5 1,3 9,9
Konzentrationen in [µg/m3]
BG - Bestimmungsgrenze; MW - Mittelwert; 90.-Perz. - 90. Perzentil

 

Konzentrationsverteilung von Aldehyden in Raumluft
Abb. 1: Verteilung der Konzentrationen von Aldehyden in der Raumluft
Untere / obere Linie = 10. / 90. Perzentil, Box = 25 - 75. Perzentil, Linie in Box = 50. Perzentil.

Tab. 3 und Abb. 1 zeigen, dass der Konzentrationsbereich der kurzkettigen Aldehyde um das 5-10fache über dem der mittel- und langkettigen liegt. Unter den mittel- und langkettigen Aldehyden kommt Pentanal, Hexanal und Nonanal die größte Bedeutung zu.

 

Mittelwerte im Vergleich mit anderen Studien

Mit der Studie von JURVELIN et al (2003) liegen neueste Daten vor, die ebenso wie unsere Daten alle n-Alkylaldehyde von Formaldehyd bis Decanal umfassen. Die Daten der JURVELIN-Studie wurden im Rahmen der "Air Pollution Exposure Distributions within Adult urban Populations in Europe"-Studie (EXPOLIS) während des Sommers 1997 erhoben. Aus dem Zeitraum 1995-1998 stammen die Daten von SCHOLZ (1998), die allerdings auf Pentanal bis Decanal beschränkt sind. In Tab. 4 und Abb. 2 stellen wir die arithmetischen Mittelwerte aus diesen Studien den arithmetischen Mittelwerten aus unserer Studie gegenüber.

Tab. 4: Vergleich der mittleren Konzentrationen an Aldehyden aus verschiedenen Studien.

IUPAC-Bezeichnung Mittelwerte aus Studien
ARGUK Jurvelin et al (2003) Scholz (1998)
Methanal 55 44,6 n.d.
Ethanal 26 19,9 n.d.
Propanal 2,1 2,4 n.d.
Butanal 2,9 2,2 n.d.
Pentanal 4,1 5,0 7,0
Hexanal 10 17,9 14,2
Heptanal 1,7 2,5 1,1
Benzaldehyd 3,7 3,1 n.d.
Octanal 2,3 5,4 2,6
Nonanal 12,8 14,6 7,0
Decanal 3,5 8,0 1,8
Konzentrationen in [µg/m³]

 

konzrlaldehyd2.gif (7323 bytes)
Abb. 2: Mittelwerte der Aldehydbelastung aus verschiedenen Studien im Überblick

 

In Anbetracht dieser Datenlage kann man von recht homogenen Durchschnittsbelastungen der Innenraumluft mit Aldehyden sprechen. Dies verweist auf gleichartige und weitverbreitete Belastungsquellen. Formaldehyd überragt die anderen Aldehyde sehr deutlich, weil es hauptsächlich aus direkten Quellen gespeist wird. Es ist deshalb gerechtfertigt, Formaldehyd- Belastungen auch unabhängig vom gesamten Kollektiv zu messen und zu bewerten. Für Acetaldehyd und die mittleren bis höheren Aldehyde ist dieses Vorgehen nicht sinnvoll, da diese Stoffe in erster Linie Produkte aus Umwandlungsprozessen sind, aus denen sie stets vergesellschaftet miteinander hervorgehen. Ihre Geruchspotenziale verhalten sich annähernd additiv zueinander (ECA, 1998), weshalb ein Geruchsproblem im Innenraum ohne weiteres auch dann durch Aldehyde verursacht sein kann, wenn jeder einzelne Aldehyd mit seiner Konzentration unterhalb seiner Geruchsschwelle bleibt.

Geruchsschwellen und Geruchswert

Anhand eines fiktiven Analysenbefundes, in dem alle n-Alkyl-Aldehyde dieser Studie in Konzentrationen ihrer arithmetischen Mittel vorlägen, soll der Geruchswert eines Aldehyd-Gemisches verdeutlicht werden. Tab. 5 listet diesen fiktiven Befund auf und stellt ihm die Geruchsschwellen der einzelnen Aldehyde gegenüber.

Tab. 5: Fiktiver Aldehyd-Analysebefund im Bereich mittlerer Belastungen im Vergleich mit den Geruchsschwellen der einzelnen Aldehyde.

IUPAC-Bezeichnung Daten ARGUK
MW
Geruchsschwelle
Methanal 55 1000
Ethanal 26 340
Propanal 2,1 14
Butanal 2,9 28
Pentanal 4,1 22
Hexanal 10 58
Heptanal 1,7 23
Benzaldehyd 3,7 190
Octanal 2,3 7
Nonanal 12,8 14
Decanal 3,5 6
Konzentrationen in [µg/m³]
MW - Mittelwert

 

Nur Nonanal reicht knapp an seine Geruchschwelle heran, alle anderen Aldehyde bleiben deutlich unter ihren Geruchschwellen.

Trotzdem dürfte in einem Raum mit einem solchen Befund ein deutlicher Aldehyd-Geruch anzutreffen sein. Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man das additive Verhalten der Geruchspotenziale der gemessenen Aldehyde mathematisch darstellt. Dazu ist für jeden Aldehyd der Quotient aus Konzentration und Geruchsschwelle und über alle gemessenen Aldehyde die Summe dieser Quotienten zu bilden. Ein Aldehyd-Gemisch in der Raumluft erreicht seine Geruchsschwelle, wenn dieser Quotient den Wert 1 erreicht. Man spricht dann vom "Geruchswert 1".

 

Gleichung 1:

    geruchswertgleichung1.gif

GW = Geruchswert
K(Ci) = Konzentration des Aldehyds mit der Kettenlänge Ci
GS(Ci) = Geruchsschwelle des Aldehyds mit der Kettenlänge Ci

Setzt man in Gleichung 1 die Zahlen aus Tab. 5 ein, ergibt das

Gleichung 2:

    

 

Die Geruchsschwelle dieses fiktiven Gemisches ist demnach deutlich überschritten. Aus unserem Beispiel lässt sich nicht nur für die Aldehyde, sondern für alle geruchsaktiven Stoffe mit ähnlicher chemischer Struktur das Erfordernis ableiten, die Beurteilung ihres Beitrags zur Qualität einer jeweiligen Innenraumluft auf den Geruchswert der Gesamtbelastung und nicht nur auf die Geruchsschwellen der Einzelstoffe zu stützen.

Bezüglich der Reizschwellen chemisch ähnlicher Stoffe kann man einen ähnlichen Zusammenhang vermuten, wie er bei den Geruchsschwellen gegeben ist. Reizschwellen liegen jedoch in aller Regel deutlich höher. Schutz vor üblem Aldehyd-Geruch bedeutet deshalb in der Regel auch Schutz vor Reizerscheinungen, verursacht durch diese Stoffe. Formaldehyd ist von dieser Regel wiederum ausgenommen. Hier liegt die Geruchsschwelle deutlich über der Schwelle, bei der erste Reizerscheinungen auftreten können (vgl. Kapitel 2.3. und 2.4). Auch aus diesem Grund ist für Formaldehyd immer eine gesonderte Bewertung erforderlich.

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Aldehydvorkommen im Hausstaub

Die statistischen Kenngrössen der im Hausstaub untersuchten Aldehyde sind in Tab. 6 wiedergegeben. Konzentrationen kleiner oder in Höhe der Bestimmungsgrenze sind mit der halben Bestimmungsgrenze in die Statistik einbezogen. In Abb. 3 sind die Verteilungen grafisch in Form von Box- und Whisker-Plots dargestellt.

Tab. 6: Vorkommen von Aldehyden im Hausstaub (n = 15)

IUPAC-Bezeichnung BG Spannweite MW Median 90. Perz.
Methanal 0,1 81,6 - 539 254 224 509
Ethanal 0,1 15 ,0 - 155 77,1 71,0 132
Propanal 0,1 0,1 - 3,6 1,1 0,84 3,2
2-Methyl-Propanal 0,1 1,3 - 22,0 11,3 11,0 21,4
Butanal 0,1 0,32 - 6,0 2,2 1,6 4,7
2-Methyl-Butanal 0,1 0,70 - 21,4 9,2 8,7 19,2
3-Methyl-Butanal 0,1 1,4 - 28,0 11,9 13,0 23,2
Pentanal 0,1 0,48 - 9,2 4,6 4,2 8,0
Hexanal 0,1 0,95 - 30,0 13 13,0 22,8
Heptanal 0,1 0,32 - 10,0 3,8 3,6 7,4
Benzaldehyd 0,1 n.d. n.d. n.d. n.d.
Octanal 0,1 0,20 - 16,0 5,2 4,5 12,4
Nonanal 0,1 1,1 - 67,0 17,7 12,0 47,2
Decanal 0,1 0,10 - 11,0 2,5 1,7 8,8
Konzentrationen in [µg/g]
BG - Bestimmungsgrenze; MW - Mittelwert; 90.-Perz.- 90. Perzentil

 

konzhsaldehyd1.gif (4942 bytes)
Abb. 3: Verteilung der Konzentrationen an Aldehyden im Hausstaub

Beim Betrachten von Tab. 6 und Abb. 3 fällt die Dominanz der "Strecker-Aldehyde" Formaldehyd, Acetaldehyd und, mit einigem Abstand, 2-Methylpropanal, 3-Methylbutanal und 2-Methylbutanal auf. Herausragend sind außerdem die n-Aldehyde Hexanal und Nonanal vertreten. Während die "Strecker-Aldehyde" überwiegend aus dem Eiweiß-Abbau im Hausstaub stammen dürften, resultieren Hexanal und Nonanal wohl überwiegend aus dem Abbau ungesättigter Fettsäuren.

Die im Hausstaub vorzufindenden Aldehyd-Konzentrationen werden sehr wahrscheinlich in diesem generiert und sind weniger auf Adsorptionsprozesse von ursprünglich luftgetragenen Aldehyden zurückzuführen. Aldehyde gehören neben niederen Alkoholen und niederen bis mittleren Fettsäuren zu den wenigen Stoffgruppen aus dem Spektrum der Flüchtigen Organischen Verbindungen (VOC), die in beachtlichen Konzentrationen im Hausstaub vertreten sind. Aliphaten, Aromaten, Glycole, Terpene, Ester und weitere das VOC-Spektrum in Raumluft kennzeichnende Stoffgruppen sind im Hausstaub marginal bis garnicht vertreten.

Wir haben, um dies zu prüfen, in allen untersuchten Hausstaubproben neben den Aldehyden auch alle VOC im Siedepunktsbereich von 20°-260°C quantifiziert, die in einer Konzentration > 0,1 µg/g auftraten. Das Ergebnis ist in Abb. 4 dargestellt.

konzhsvoc.gif (5405 bytes)
Abb. 4: Verteilung der Konzentrationen an VOC im Hausstaub

 

Abb. 4 zeigt, dass neben den Aldehyden auch die niederen Alkohole Methanol und Ethanol beachtliche Konzentrationen im Hausstaub erreichen. Sie stammen vermutlich aus dem Abbau kohlenhydrathaltigen Materials im Hausstaub. Hohe Maximalwerte einzelner VOC dürften aus zeitnah vor der Hausstaub-Probenahme vorgenommenen Renovierungen stammen.

In einem weiteren Schritt haben wir in allen untersuchten Hausstaubproben mit TVOC ( Total Volatile Organic Compounds ) einen Summenparameter bestimmt, in welchem alle zweiseitig gesicherten Einzelstoff-Signale des Gaschromatogramms im Siedepunktsbereich von 20°-260° aufsummiert und als 3-Methylbutanal-Equivalente ausgewertet werden. 3-Methylbutanal wurde ausgewählt, weil seine Kalibrationsdaten am besten den mittleren Detektor-Response aus allen Stoffen im fraglichen Siedepunktsbereich treffen. Tab. 7 zeigt die statistischen Kenngrössen der Aldehyd-Summenbelastung des Hausstaubs im Vergleich mit den statistischen Kenngrössen der TVOC-Belastung. Ergänzend sind noch die statistischen Kenngrössen der Alkohol-Summenbelastung sowie der Summenbelastung mit niederen und mittleren Fettsäuren nach OBENLAND et al (2003) aufgeführt.

Tab. 7: Hausstaub - Vergleich der Summenbelastung verschiedener Stoffgruppen

Stoffgruppe n MW 50. Perz. 90. Perz. min max
TVOC* 15 215 201 311 62 348
å Aldehyde 15 226 245 315 40 330
å Alkohole 15 54 40 118 20 126
å Fettsäuren** 24 83 77 149 43 233
* normiert auf 3-Methyl-Butanal, Temperaturprogramm 20 - 260°C
** Summe Hexan- bis Decansäure
n - Stichprobengröße; Perz. - Perzentil; min - Minimalwert; max - Maximalwert

Tab. 7 zeigt in Zahlen die bereits in Abb. 4 erkennbare Dominanz der Aldehyde bei der Erfassung der Gesamtheit flüchtiger organischer Verbindungen (TVOC) im Hausstaub. Sie zeigt überdies, dass der Anteil der Aldehyde den der Alkohole und der niederen bis mittleren Fettsäuren deutlich überragt.
Das mittlere Belastungsniveau des Hausstaubes mit flüchtigen Aldehyden liegt etwa bei einem Drittel des Belastungsniveaus des Hausstaubs mit den allgegenwärtigen und überwiegend schwerflüchtigen Phthalaten, für das uns vorliegende Untersuchungen mittlere Belastungen z.B. mit DEHP von 372 - 610 µg/g ausweisen (ARGUK, 1997; FREIE UND HANSESTADT HAMBURG, 2002; PÖHNER et al, 1997 ). Bezogen auf höhere Fettsäuren, die im organischen Extrakt von Hausstäuben eindeutig die größte Fraktion darstellen und die Phthalate noch um das ungefähr 5-fache überragen ( ARGUK , 2003; FREIE UND HANSESTADT HAMBURG, 2002 ) kommt das Belastungsniveau mit Aldehyden immer noch auf 5 -10 Prozent.

Aldehyde sind deshalb zu den chemischen Prioritärbelastungen des Hausstaubs zu zählen. Die unerwünschten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die daraus resultieren können, sind bereits unter Kapitel "Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Aldehyde" dargelegt. Ergänzend dazu verweisen wir hier noch auf die Untersuchung von WILKINS et al (1993), deren Ziel es war, herauszufinden, ob zwischen dem Auftreten von maßgeblichen Symptomen des Sick-Building-Syndroms (SBS) und den Belastungen des Hausstaubs mit einzelnen Flüchtigen Organischen Verbindungen (VOC) eine Beziehung besteht. WILKINS et al haben die Ergebnisse ihrer Untersuchung in zwei Ranking-Tabellen zusammengefasst. In der einen (vgl. Tab. 8) setzen sie das Auftreten von Schleimhautreizungen, in der anderen (vgl. Tab. 9) das Auftreten von Konzentrationsstörungen in Beziehung zu VOC-Belastungen des Hausstaubs. Bezüglich der Schleimhautreizungen fanden sie für 10 von insgesamt 71 Stoffen und bezüglich der Konzentrationsstörungen für 8 von insgesamt 71 Stoffen einen statistischen Zusammenhang. 2-Methylpropanal steht bei Schleimhautreizungen auf Platz 1, 3-Metylbutanal auf Platz 4. Bei den Konzentrationsstörungen steht Hexanal auf Platz 3 und 3-Methylbutanal auf Platz 5. In beiden Ranking-Tabellen sind überdies niedere organische Säuren prominent plaziert. Hexansäure beispielsweise steht in beiden Tabellen auf Platz 2.

Tab 8: Ranking der 10 VOC, zwischen deren Auftreten im Haustaub und dem Auftreten von Schleimhautreizungen bei den Raumnutzern ein statistischer Zusammenhang besteht (WILKINS et al. 1993)

1 2-Methylpropanal
2 Hexansäure
3 2-Alkanon, M+ = 142
4 3-MethylButanal
5 Substanz ( nicht identifizierbar)
6 Octan
7 Pentansäure
8 Heptansäure
9 2-Undecanon
10 5-Methyl-3-Methylen-5-Hexen-2-on

 

Tab 9: Ranking der 10 VOC, zwischen deren Auftreten im Haustaub und dem Auftreten von Konzentrationsstörungen bei den Raumnutzern ein statistischer Zusammenhang besteht (WILKINS et al. 1993)

1 Pentansäure
2 Hexansäure
3 Hexanal
4 Substanz (nicht identifizierbar)
5 Heptansäure
6 3-Methyl-Butanal
7 Buttersäure
8 Benzaldehyd

 

Aldehyd-Vorkommen in Raumluft und Hausstaub: Ein Vergleich in Mittelwerten

In Abb. 5 ist das Vorkommen der Aldehyde, die Gegenstand dieser Studie sind, vergleichend für die Medien Raumluft und Hausstaub dargestellt. Als Vergleichsgrösse wurden die Mittelwerte aus dieser Studie gewählt, die für das Medium Raumluft in Tab. 3 und für das Medium Hausstaub in Tab. 6 aufgeführt sind.

vorkaldehydhsrl.gif (6621 bytes)
Abb. 5: Mittelwerte des Aldehyd-Vorkommens in Raumluft (n = 34) und Hausstaub ( n = 15)

Abb. 5 zeigt sehr ähnliche Verteilungsmuster der Aldehyde in beiden Medien. Das lässt darauf schliessen, dass die Belastungen in beiden Medien nicht unabhängig voneinander sind. Um festzustellen, welche der beiden Medien-Belastungen die jeweils andere massgeblich prägt, sind weitergehende Untersuchungen erforderlich. Als sicher kann jedoch angenommen werden, dass von der Belastung im einen Medium in einem gewissen Streubereich auf eine zu erwartende Belastung im anderen Medium geschlossen werden kann. Über den Betrag des Konversionsfaktors sowie seine Präzision kann erst nach Vorliegen ausreichenden Datenmaterials aus parallelen Aldehyd-Bestimmungen in beiden Medien entschieden werden.

Aldehydvorkommen in Raumluft und Hausstaub: Ein Vergleich vor Ort

Zur vorläufigen Orientierung können die Ergebnisse einer ersten parallelen Aldehyd-Bestimmung in Raumluft und Hausstaub durch unser Labor dienen. Sie sind in Tab. 8 zusammengefasst.

Tab. 10: Aldehyd-Belastung von Raumluft und Hausstaub in einer Wohnung

Plot-Name IUPAC-Bezeichnung Hausstaub
[µg/g]
Raumluft
[µg/m3]
  Methanal n.d. n.d.
C2 Ethanal 180 32
  Propanal n.d. n.d.
C4 Butanal 4,8 2,0
C5 Pentanal 26 9,8
  2-/3-Methyl-Butanal 79 n.d.
C6 Hexanal 101 26
C7 Heptanal 39 5,1
  Benzaldehyd n.d. n.d.
C8 Octanal 33 5,2
C9 Nonanal 99 26
C10 Decanal 3,2 2,0

Mittels der vollständigen Datenpaare aus Tab. 8 lässt sich eine Regressionsanalyse anstellen, deren grafische Darstellung in Abb. 6 vorgenommen wird.

zusaldehydhsrl.gif (4035 bytes)
Abb. 6: Zusammenhang zwischen Aldehyd-Belastung der Raumluft und der des Hausstaubes

 

Das Ergebnis der in Abb. 6 vorgenommenen Regressionsanalyse deutet auf einen Konversionsfaktor von ungefähr 0,2 für die Übertragung von Hausstaub-Belastungen, ausgedrückt in µg/g, in Raumluft-Belastungen, ausgedrückt in µg/m3, hin. In umgekehrter Richtung läge er ungefähr bei 5. Die hohe Korrelation von r² = 0,9 bestätigt, dass die Belastungen der beiden Medien nicht unabhängig voneinander sind.

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IfAU-Orientierungswerte für Aldehyde in Raumluft und Hausstaub

Die IfAU-Orientierungswerte (OW 1 und 2) sind statistisch abgeleitet und unter dem Aspekt der Gesundheitsvorsorge zu verstehen. Sie bedeuten keine toxikologisch begründeten Grenz- oder Richtwerte. Das Auftreten gesundheitlicher Beschwerden kann mit einer Überschreitung der OW nicht ohne weiteres in Zusammenhang gebracht werden.

IfAU-OW 1: Dieser Orientierungswert entspricht dem gerundeten 50-Perzentilwert einer statistischen Untersuchung von Hausstaub- und Raumluftproben unseres Labors . Er besagt, dass 50 Prozent der untersuchten Proben diesen Wert nicht überschritten haben. Ein Meßwert in dieser Größenordnung kann als durchschnittlich eingestuft werden.

IfAU-OW 2: Dieser Orientierungswert entspricht dem gerundeten 90-Perzentilwert einer statistischen Untersuchung unseres Labors von Hausstaub- und Raumluftproben unseres Labors. Er besagt, dass 90 Prozent der untersuchten Proben diesen Wert unterschritten haben bzw. dass nur 10 Prozent darüber lagen. Meßwerte über dem Orientierungswert können als auffällig eingestuft werden. Die Ursache des erhöhten Konzentrationsniveaus sollte festgestellt und möglichst durch geeignete Maßnahmen beseitigt werden.

Tab. 11: IfAU-Orientierungswerte für Aldehyde in der Raumluft.

IUPAC-Bezeichnung IfAU-Orientierungswert
OW 1
IfAU-Orientierungswert
OW 2
Methanal 50 133
Ethanal 22 59
Propanal 2 4
2-Methyl-Propanal n.d. n.d.
Butanal 3 7
2-Methyl-Butanal n.d. n.d.
3-Methyl-Butanal n.d. n.d.
Pentanal 3 10
Hexanal 8 23
Heptanal 1 5
Benzaldehyd 4 7
Octanal 2 5
Nonanal 7 47
Decanal 1,5 11
Konzentrationen in [µg/m3]

 

Als statistisch begründete Werte können unsere Orientierungswerte lediglich über die normale Verteilung von Analysenwerten, nicht jedoch über die mit ihnen möglicherweise verknüpften Probleme für die Qualität von Innenraumluft Auskunft geben. Massgeblich für eine solche Beurteilung kann nur die Ermittlung des Geruchswertes aller ermittelten Analysenwerte sein. Wie allgegenwärtig Geruchsbelästigungen mit Aldehyd-Belastungen verbunden sind, zeigt sich daran, dass bereits bei Einhaltung der OW 1-Werte solche Probleme auftreten können.
Bei Formaldehyd-Befunden ist außerdem zu beachten, dass bei empfindlichen Personen Reizerscheinungen bereits unterhalb des OW 1 auftreten können.

Tab. 12: IfAU-Orientierungswerte für Aldehyde im Hausstaub

IUPAC-Bezeichnung IfAU-Orientierungswert
OW 1
IfAU-Orientierungswert
OW 2
Methanal 224 509
Ethanal 71 132
Propanal 1 3
2-Methyl-Propanal 11 21
Butanal 2 5
2-Methyl-Butanal 9 19
3-Methyl-Butanal 13 23
Pentanal 4 8
Hexanal 13 23
Heptanal 4 7
Benzaldehyd n.d. n.d.
Octanal 5 12
Nonanal 12 47
Decanal 2 10
Konzentrationen in [µg/g]

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Schluss

Aldehyde, die Gegenstand dieser Studie sind, treten in Raumluft und Hausstaub ubiquitär auf. Die Höhe der anzutreffenden Konzentrationen und deren Relevanz für Gesundheit und Wohlbefinden von Menschen in Wohnungen und Büros weist sie als prioritäre Innenraum-Schadstoffe aus. Der Schwerpunkt ihrer Gefährdungspotenziale für Gesundheit und Wohlbefinden liegt in der Belästigung durch unangenehme Gerüche und davon auslösbare zentralnervöse Beschwerden wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit, Reizbarkeit und Müdigkeit ebenso wie in Reizerscheinungen auf Schleimhäuten und Haut. Beschwerden dieser Art werden insbesondere an Büro-Arbeitsplätzen relativ häufig geäussert und sind unter dem Terminus "Sick-Building-Syndrom" (SBS) bekannt. Die Prävalenzen für solche gebäude- und einrichtungsassoziierten Symptome werden für Bürogebäude, Krankenhäuser und andere öffentliche Gebäude in verschiedenen Studien zwischen 10 und 50 % beziffert (SKOV et al, 1987; Nordström et al, 1995; Bischof, 1995; APTE et al, 2000). Für den privaten häuslichen Bereich liegen ähnliche Studien nicht vor. Dort dürften die Probleme aber ganz ähnlich gelagert sein. Im IfAU-Umweltlabor handelt mindestens jede zweite Kundenanfrage aus dem privaten häuslichen Bereich von diesem Beschwerdebild.

Obwohl die Ätiologie des SBS noch nicht gesichert ist, kann man davon ausgehen, dass ein Zusammenwirken verschiedener ungünstiger Einflussgrößen chemischer, biologischer, physikalischer und psychologischer Art vorliegt. Aldehyde sind eine ungünstige chemische und psychologische Einflussgröße ersten Ranges. Den Aldehyd-Belastungsstatus von Raumluft und Hausstaub beim Vorliegen von gebäude- und einrichtungsassoziierten Beschwerden zu prüfen und gegebenenfalls Abhilfe zu schaffen, halten wir deshalb für unabdingbar.

Die vorsorgende Begutachtung von Bauprodukten und Einrichtungsgegenständen unter dem Aspekt der Vermeidung von direkten und indirekten Aldehyd-Quellen kann wesentlich zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden im Büro und im häuslichen Bereich beitragen.

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Literatur

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