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Haus
Schadstoff-Bibliothek

EULAN WA NEU / EULAN U 33:
Wirkstoffe und Vorkommen in Hausstäuben

H. Obenland1, W. Maraun1, Th. Kerber1, S. Pfeil2, J. Angles-Angel1

1ARGUK Umweltlabor, Krebsmühle 1, 61440 Oberursel
2 Institut für Angewandte Umweltforschung, Oberursel

Schlagwörter: PCSD / PCAD, Chlorphenylid, EULAN, Belastung in Hausstäuben, Teppichausrüstungsmittel

 


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung
Einleitung
Bisheriger Kenntnisstand
Literaturstand
Hausstaub als Indikator
Probenahme und Analytik
Untersuchungsergebnisse
Mobilität
Resorption
Toxikologie
Diskussion
Literatur

 

Einleitung

Unter dem eingetragenen Warenzeichen EULAN produziert und vertreibt die Fa. BAYER AG seit Jahrzehnten Mittel zum Schutz von Wolle vor allem in Teppichen und Teppichböden sowie von Federn und Haaren in Tierpräparaten vor Motten- und Käferfraß. Eine breite Produktpalette wurde bzw. wird unter Handelsnamen wie EULAN U 33, EULAN WA NEU, EULAN NEU, EULAN SPA, EULAN HFC uvm. geführt. Die Wirkstoffe umfassen ein weites Spektrum unterschiedlicher Substanzen wie Triphenylmethane, Permethrin, Sulfonamid-Derivate, Diphenyl-Harnstoff-Derivate, Phosphoniumsalze etc.. Von der Fa. CIBA GEIGY werden vergleichbare Produkte unter dem Warenzeichen MITIN angeboten. MOLANTIN P (überwiegend in Osteuropa vertrieben), MITEX U 33 und MOTTINE E Liquid sind Imitationen von EULAN U 33 nach Wegfall des Patentschutzes [1].

Im Gegensatz zu diversen anderen insektiziden chemischen Zubereitungen, die in Innenräumen zur Anwendung kamen und kommen, genießen EULANE noch immer einen guten Ruf und bleiben bei der Diskussion über Schadstoffe in Innenräumen weitgehend unbeachtet. Erst in jüngerer Zeit begann eine kritische Diskussion über den Sinn und die möglichen gesundheitsbeeinträchtigenden Auswirkungen einer Ausrüstung ("Eulanisierung") insbesondere von Schurwollteppichböden mit Permethrin.

Im Rahmen von Pestizid-Analysen wurden durch das ARGUK-Umweltlabor Wirkstoffe und Metaboliten der Produkte EULAN WA NEU und EULAN U 33 in Hausstaub-Proben identifiziert, das Belastungsausmaß in Wohn-Innenräumen untersucht und mögliche Aufnahmepfade zum Menschen geprüft.

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Bisheriger Kenntnisstand zu EULAN WA NEU

Die insektizide Zubereitung EULAN WA NEU wurde von der Fa. BAYER AG nach eigenen Angaben bis 1988 produziert und vertrieben [2]. Als Anlaß für die Produktionseinstellung werden "firmeninterne Gründe" genannt [2]. Eingehendere Informationen über das Produkt werden einerseits auf Nachfrage vom Hersteller nicht gegeben, da diese nach dessen Bekunden sein Know-how sowie seine geschäftlichen Belange betreffen [3]. Einer Produktinformation ist lediglich zu entnehmen, daß "ein mit EULAN WA NEU vorschriftsmäßig ausgerüsteter Wollartikel in toxikologischer Hinsicht für den Verbraucher ohne jedes Risiko" sei [4]. Gemäß DIN-Sicherheitsdatenblatt des Herstellers ist EULAN WA NEU chemisch als "Chlorphenylid-Zubereitung" zu charakterisieren, wobei der Wirkstoff als ein nicht näher differenziertes "Aromatisches Sulfonamid-Derivat" bezeichnet wird [5].

Andererseits ist in einer älteren Mitteilung der Fa. Bayer AG zu physikalischen und toxikologischen Daten von EULAN WA NEU und EULAN U 33 "Chlorphenylid" chemisch sehr ausführlich beschrieben. Dieser Mitteilung ist - wie anderen Quellen auch - zu entnehmen, daß EULAN WA NEU und EULAN U 33 wirkstoffidentisch sind und sich lediglich in der Wirkstoffkonzentration unterscheiden [6].

Laut einer Stellungnahme des "Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin" (BgVV) ist EULAN WA NEU als Textilschutzmittel bekannt, toxikologische Beurteilungen liegen dem Institut jedoch nicht vor, da Textilschutzmittel im Allgemeinen keinen Zulassungsverfahren unterworfen sind [7].

Bei der Dokumentations- und Bewertungsstelle für Vergiftungsfälle des BgVVs erfolgten bislang keine (akuten) Vergiftungsmeldungen nach §16e Chemikaliengesetz zu diesem Mittel. Ebensowenig wurden dieser Stelle gesundheitliche Beschwerden im Zusammenhang mit entsprechend ausgerüsteten Teppichen und Auslegeware aus Wolle mitgeteilt [7].

Eine in Fachbereich IV 1.2 des Umweltbundesamtes ("Altstoffprüfung, Vollzug EG-AltstoffV") erstellte Datenrecherche zu EULAN U 33 weist für dieses Produkt eine 33%ige Chlorphenylid-Konzentration sowie die Charakterisierung der Zubereitung als mindergiftig und augenreizend aus [8].

Dem Fachbereich V.4 des Umweltbundesamtes ("Lufthygiene"), der mit dem Umwelt-Survey-Hausstaub [9] eine umfangreiche Deskription der Schwermetall- und Pestizid-Belastungen im häuslichen Bereich betreibt, liegen bislang keinerlei Daten zur Belastung des Hausstaubes mit PCSD und PCAD vor [10].

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Literaturstand

In einer Publikation von WELLS [11] werden die wirksamen Inhaltsstoffe von EULAN WA NEU erstmals als Stoffgruppe der Polychloro-2-(chlormethylsulfonamid)-diphenylether (PCSDs) identifiziert. Dabei konnten sowohl die Wirkstoffe selbst als auch deren Metabolite isoliert und mittels Gaschromatographie und Massenspektrometrie sowie über 1H-Kernresonanzspektroskopie chemisch identifiziert werden. Als Hauptkomponenten wurden dabei ein Penta- sowie ein Hexachloro-Isomer erkannt.

Die neben den PCSD festgestellten Polychloro-2-amino-Diphenylether (PCAD) treten nach den Untersuchungen von WELLS sowohl als industrielles Vorprodukt als auch als primäres biologisches Abbauprodukt der PCSD auf.

Die Wirkstoffe von EULAN WA NEU sowie deren Metaboliten wurden in Abwasser- [12] und Fischproben nachgewiesen [11, 12]. Literatur zum Vorkommen von PCSD bzw. PCAD in Innenraumproben ist uns bislang nicht bekannt.

Die PCSD bzw. PCAD haben nach WELLS die folgende allgemeine chemische Struktur: >

Abbildung 1:

Wolf et al. [13] bestätigen für die "Chlorphenylid"-Wirkstoffe von EULAN WA NEU sowie EULAN U 33 die PCSD-Struktur. Desweiteren bezeichnen sie EULAN U 33 und EULAN WA NEU als "die (...) universell benutzten EULAN Produkte".

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Hausstaub als Indikator für die häusliche Schadstoff - Exposition

Für die Erfassung und Bewertung von Schadstoff-Vorkommen im häuslichen Bereich hat sich der Hausstaub für mittel- bis schwerflüchtige organische Substanzen wie Organo-Chlor-Pestizide [13, 14] und PCBs sowie auch für Schwermetalle [10, 15] als brauchbares Medium erwiesen. Diese Indikatoreigenschaft ist darauf zurückzuführen, daß Hausstaub in Wohnungen i.d.R. ständig anfällt und durch seine große spezifische Oberfläche in hohem Maße adsorptiv wirkt. Er erweist sich so als Passivsammler für aus der Gasphase adsorbierbare oder kondensierbare Substanzen. Darüber hinaus kann er aber in seinen verschiedenen Größenklassen auch genuiner Schadstoffträger sein. So finden sich im Feinstaub beispielsweise aus Abrieb- und Verbrennungsprozeßen herrührende Partikel, die überwiegend aus Schwermetallen oder Ruß bestehen, während in der Flusenfraktion z.B. Teppichfasern enthalten sein können, die eine biozide Ausrüstung mitbringen. Wegen ihrer Inhomogenität ist diese Probenmatrix wiederholt kritisch diskutiert worden. Mit der Definition einer bestimmten Partikelgrößenklasse (£ 63 µm), die einheitlich zur Untersuchung herangezogen werden soll, hat sich mittlerweile eine Konvention herausgebildet, die dieses Problem minimiert. Auch für die Expositionsdauer scheint sich eine Verständigung auf maximal 7 Tage abzuzeichnen, da sich eine um so höhere Stoffmenge im Hausstaub anreichert, je länger der Staub in einem Raum verweilt. Bei Beachtung dieser Normierungen ist nach Liebl et al. der Hausstaub grundsätzlich geeignet, Belastungen von Innenräumen mit Holzschutzmitteln (sprich: Organika mit niedrigem Dampfdruck) anzuzeigen [14].

Bei der Untersuchung von Hausstaub-Proben auf Pestizid-Belastungen fiel im ARGUK-Umweltlabor die Aufmerksamkeit auf eine häufiger auftretende, charakteristische Substanzgruppe. In eigenen Versuchen zur Identifizierung der Bestandteile dieser Gruppe wurden diese mittels gaschromatographisch / massenspektrometrischer Analyse als PCSD und PCAD erkannt. Der Vergleich mit den Literaturangaben [11] ergab eine vollständige Übereinstimmung der Befunde.

Zur Absicherung der Zuordnung dieser Substanzen als Inhaltsstoffe von EULAN WA NEU wurde der analytische Vergleich mit dem Originalprodukt herangezogen. Demnach ist sichergestellt, daß die als Wirkstoffe von EULAN WA NEU sowie EULAN U 33 identifizierten PCSD/PCAD in Hausstaub-Proben anzutreffen sind.

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Probenahme und Analytik

Probenahme

Zur Untersuchung werden Haustäube verwendet, die i.d.R. während einer Woche in den Wohn-Innenräumen anfallen. Der Staub wird mit einem frisch eingelegten Staubsaugerbeutel nur von der frei begehbaren Bodenfläche genommen.

Analytik

Extraktion

PCSDs und PCADs werden nach Zugabe eines internen Standards (alpha-HCH) mit Hexan im Ultraschallbad extrahiert. Der Extrakt wird aufkonzentriert und nach Reinigung an einer Silicagel-Festphase fraktionierend eluiert und analysiert.

Analyse

Die gaschromatographische Analyse erfolgt an einer Optima 5-Trennsäule mittels paralleler ECD/FID-Detektion. Die Quantifizierung erfolgt über externe Kalibration. Der verwendete Standard wird aus einer originalen EULAN WA NEU-Zubereitung nach Extraktion und anschließender säulenchromatographischer Separation gewonnen. Die Wirkstoffe ebenso wie die Metaboliten weisen in EULAN WA NEU ein typisches Isomerenmuster auf, das ihre Identifizierung sehr erleichtert. Dadurch kann hier auf die Ergebnisse von WELLS bei der Zuordnung der einzelnen Komponenten zurückgegriffen werden.

Die Bestimmungsgrenze des Verfahrens beträgt am ECD bei 0,5 g Staub-Einwaage und 10 ml Extraktionsmittel für die PCSD-Isomere jeweils 0,04 µg/g und für die PCAD-Isomere jeweils 0,02 µg/g.

Jeweiliges "Hauptisomer" ist ein Pentachlor-Isomer mit folgender Struktur:

Abbildung 2:

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Untersuchungsergebnisse

PCSD- und PCAD-Konzentrationen in Hausstaub-Proben

Die folgende Abbildung 3 zeigt die PCSD - und PCAD-Konzentrationen in allen von uns untersuchten Hausstaub-Proben des 1. Quartals 1996. Die Meßwerte beziehen sich dabei auf ungesiebten Staub.

Abbildung 3: Tab. 1:
  Summe PCSD PCAD
Mittelwert 13,2 8,7 4,4
Median 2,0 1,2 0,6
Maximalwert 124,2 85,1 46,0
90-Perzentil 40,9 26,3 11,8

Angaben in µg/g

Die Ergebnisse zeigen, daß in Hausstäuben erhebliche Gehalte an PCSD/PCAD vorliegen können. Der innerhalb eines Quartals festgestellte Maximalwert liegt (als Summe der PCSD und PCAD) bei 124 Mikrogramm/g. Der Mittelwert über alle Proben beträgt 13,2 µg/g, der Median 2,0 µg/g. Auffallend hoch ist auch das 90-Perzentil mit 40,9 µg/g. Es muß aber hinzugefügt werden, daß die untersuchten Proben nicht repräsentativ sind für die Gesamtheit von Hausstäuben aus Wohnräumen. Bei der vor der Analyse durchgeführten Beratung zur Einschätzung eines möglichen Schadstoff-Vorkommens in der jeweiligen Wohnung wurde bereits eine Vorauswahl getroffen. Die Untersuchung von Hausstaub-Proben auf mittel- bis schwerflüchtige Organo-Chlor-Verbindungen wird von uns i.d.R. nur dann empfohlen, wenn aufgrund der Wohnraumausstattung und/oder aufgrund vorgetragener Krankheitssymptome ein Pestizid-Screening sinnvoll erscheint. Als weiterer Selektions-Faktor kommt bei dem vorgestellten Probenkollektiv die gezielte Untersuchung von Hausstäuben, die von älteren Schurwoll-Teppichen entnommen wurden, hinzu.

In Abbildung 3 ist der jeweilige Anteil der PCSD und der PCAD an der Gesamtmenge dargestellt. In erster Näherung kann von einem Verhältnis PCSD zu PCAD von 2:1 ausgegangen werden. Der gleiche Befund wird für die Originalrezeptur von EULAN WA NEU erhalten. Die Analyse der Originalrezeptur ergab für PCSD eine Konzentration von 13,3 % und für PCAD eine Konzentration von 6,7 %. Vom Hersteller wird für EULAN WA NEU der Gehalt an PCSD-Wirkstoffen mit 20 % angegeben. Der Gehalt an PCAD wird auf ca. 1 % des Wirkstoffanteils geschätzt [8]. Die hier vorgestellte Untersuchung bestätigt diese Angaben nicht.

In einzelnen Hausstäuben ist die Relation zwar stark in Richtung PCSD, in anderen wiederum aber auch stark in Richtung PCAD verschoben. Nach unserem jetzigen Kenntnisstand kann nicht entschieden werden, ob dies auf Unterschiede in den einzelnen Produktionschargen zurückzuführen ist oder ob z.B. durch durch mikrobielle Aktivitäten eine Umwandlung der PCSD zu den PCAD stattgefunden hat.

Größenklassenverteilung

Die Größenklassenverteilung der im 1. Quartal 1996 ermittelten PCSD / PCAD-Konzentrationen (bezogen auf ungesiebten Staub) ist in Abb. 4 dargestellt. Die Klassen bis 1,5 µg/g umfassen nahezu die Hälfte aller untersuchten Proben und liegen mit lediglich einer Ausnahme über der Bestimmungsgrenze.

Daraus läßt sich vermuten, daß PCSD und PCAD ubiquitär auftreten, wobei der Median am deutlichsten die Hintergrund-Belastung im Hausstaub repräsentiert.

Abbildung 4 :
Tab. 2:
Größenklasse Konzentrationsbereich
1 x £ 0,06
2 0,06 £ x £ 0,75
3 0,75 £ x £ 1,5
4 1,5£ x £ 3,0
5 3,0 £ x £ 6,0
6 6,0 £ x £ 12
7 12 £ x £ 24
8 24 £ x £ 48
9 48 £ x £ 96
10 96 £ x £ 192
11 192 £ x £ 384

  Konzentrationsangaben in µg/g

Konzentrationsverteilung zwischen Feinstaub und Gesamtstaub ("Hausstaub")

Stichprobenartig wurden verschiedene Proben gesiebt (63 µm) und der Gehalt an PCSD und PCAD in der Feinstaubfraktion (R 63 µm) gesondert bestimmt.

Abbildung 5:

Das Ergebnis überrascht insofern, als der Schwerpunkt der PCSD- und PCAD-Belastung aufgrund der Herkunft als Schurwolle-Ausrüstung eher im Flusenstaub zu vermuten war. So aber verhält es sich bei PCSD und PCAD tendentiell genauso wie bei anderen Pestiziden: Sie sind im Feinstaub in höherer Konzentration als im Gesamtstaub vertreten. Die Konzentration im Feinstaub beträgt in unserer Untersuchung bis zum 4-fachen der Konzentration im Gesamtstaub. Als potentieller Schwebstaub ist der Feinstaub als Pfad für die PCSD- und PCAD-Exposition in Innenräumen anzusehen.

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Mobilität

Um die Mobilität feinstaubgebundener PCSD und PCAD zu prüfen, wurde folgende Untersuchung durchgeführt:

In einem bewohnten Raum mit der Fläche von 40 m2 , der Höhe von 2,8 m, ausgestattet mit Parkettboden, in dessen ungefährer Raummitte ein 4,5 m2 großer, mit EULAN WA NEU (oder EULAN U 33) ausgerüsteter Nepal-Teppich ausliegt, der 1989 gekauft wurde, erfolgte die Bestimmung der PCSD / PCAD-Konzentration in

  1. dem Flor des Nepal-Teppichs
  2. dem Teppichstaub des Nepal-Teppichs; Probenahme analog 5.1.
  3. dem Hausstaub aus diesem Raum; Probenahme analog 5.1.
  4. dem Staubniederschlag auf Möbel in ca. 1,5 m Höhe über dem Boden und in 1-5m Abstand vom Nepal-Teppich. Diese Depositionsflächen von zusammen 1,5 m2 wurden 4 Wochen lang nicht entstaubt und danach mit dem Staubsauger beprobt.
    Die durch Auswiegen des Staubsaugerbeutel-Inhalts ermittelte Staubdeposition betrug 4,6 mg / m2 * d und bewegte sich damit in der Nähe des bundesdeutschen Medians von 4,4 mg / m2 * d [9].

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse zeigt die Tabelle 3.

 

Tabelle 3:
  PCSD-+ PCAD- Konzentration [µg/g]
Teppichflor 21,6
Teppichstaub 14,0
Hausstaub   6,4
Staubniederschlag   3,2

PCSD und PCAD aus eulanisierten Schurwollteppichen werden demnach über den Feinstaub-Pfad breit in Räumen verteilt, in denen solche Teppiche ausliegen.

Die hier vorgestellte Untersuchung repräsentiert eine eher geringe Belastungssituation. Abhängig von der Raumbeladung mit ausgerüstetem Teppichmaterialien sowie deren Wirkstoffgehalte ergeben sich zwischen Quelle und Hausstaub Konzentrationsverhältnisse von 3 bis 6.

Die höchste PCSD / PCAD-Konzentration in einem Teppichflor wurde bislang mit 413 µg/g gemessen. Die dazugehörende Hausstaub-Konzentration betrug 76,1 µg/g.

Die Fa. BAYER AG empfiehlt eine Anwendungsmenge von 1-2 mg Chlorphenylid pro g Wolle.

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8. Resorption in wässrige Medien

Über die Aufnahme und die Bioverfügbarkeit der PCSD und PCAD sind uns für den Menschen keine Untersuchungen bekannt.

Da vermittels des Feinstaubes eine Aufnahme sowohl über die Haut und Lunge als auch über den Magen-Darm-Trakt in Erwägung gezogen werden muß, wurde die Resorption aus der Hausstaub-Matrix in wäßrige Medien in folgender ersten Annäherung überprüft:

Ein belasteter Feinstaub wurde 30 min in Wasser geschüttelt, der Feinstaub abfiltriert und das wäßrige Filtrat mit Hexan extrahiert. Für die dominante Wirkstoff-Komponente Penta-Chloro-Sulfonamid-Diphenylether ergab sich dabei eine Extraktionsausbeute von 5,5 %, für den dominanten PCAD-Metaboliten (Penta-Chloro-Isomer) eine Extraktionsausbeute von 1,7 %.

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9. Toxikologie

Die Fa. BAYER AG nennt für die akute orale Toxizität des Produktes EULAN WA NEU eine an Ratten durch orale Verabreichung ermittelte LD50 von 1000 mg/kg und für die chronische Toxizität des Wirkstoffes PCSD eine ebenfalls an Ratten durch orale Verabreichung ermittelten NOEL von 3,0 mg/kg * d [6].

Mutagenitäts- sowie Hautreizungstests zeigen nach derselben Quelle negative Ergebnisse. Beim Kaninchen treten Augenreizungen auf [6].

Zur Toxizität der Metaboliten liegen uns keinerlei Daten vor. Da es sich bei den PCAD aber um Arylamine handelt, kann bezüglich ihrer chronischen Toxizität ein kanzerogenes Potential vermutet werden [16].

PCSD und PCAD sind Chlordiphenylether. Chemikalien aus dieser Stoffgruppe gelten als produktionstechnisch verunreinigt mit PCDD/F. Das Ausmaß der Verunreinigung kann sich im mg/kg-Bereich bewegen [17].

Da weder für die akute noch für die chronische Toxizitätsprüfung Informationen zum Reinheitsgrad der eingesetzten PCSD-Wirkstoffe vorliegen und darüber hinaus die Datenlage insbesondere bezüglich der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen extrem schmal ist, ist es angezeigt, bei einer Risikoabschätzung für den Menschen konservativ vorzugehen und den vorgelegten NOEL-Wert mit dem Sicherheitsfaktor 1000 zu versehen [16].

Die sich daraus ergebende "Annehmbare Tagesdosis" (ATD) von 3 µg/kg KG * d stellt die PCSD-Wirkstoffgemische ("Chlorphenylid") in eine Reihe mit mittel- bis hochgiftigen Umweltchemikalien von überwiegend hoher Persistenz wie DDT, PCP, Lindan, technische PCB-Gemische und Permethrin.

Zum Vergleich:

Tabelle 4:
Stoff LD 50*

[mg/kg]

NOEL*

[mg/kg KG*d]

ATD bzw. ADI

[µg/kg KG*d]

DDT 100- 400 1,5 20 1)
PCP 30- 200 3,0 3 1)
Lindan 125 25 5 2)
PCB-Gemische 4000-11300 0,05-10 1 2)
Permethrin > 4000 o.A. 50 1)
Chlorphenylid 200 + 3 3) 3
*: überwiegend gestützt auf orale Verabreichung an Ratten
+: abgeleitet aus den Angaben für EULAN WA NEU
1.): WHO (ADI) 2.): BgVV (ATD) 3): Bayer AG

Bei dieser Risikoabschätzung muß der hohe Metaboliten-Anteil in Chlorphenylid bedauerlicherweise unberücksichtigt bleiben. In Anbetracht der hier vorgestellten Verbreitung der PCAD in Wohn-Innenräumen besteht bezüglich der Toxizität dieser Substanzgruppe Forschungsbedarf.

Besonders hervorzuheben ist abschließend die Tatsache, daß Chlorphenylid-Gemische thermisch sehr instabil sind. Bereits WELLs et al. nennen einen Zerfallsweg für PCSD, über den diese oberhalb 230°C quantitativ in Polychlorierte Dibenzoazoxine umgewandelt werden [11].

Polychlorierte Dibenzoazoxine sind Verbindungen vom Dioxin-Typus, der folgende allgemeine Struktur aufweist:

X,Y = O,N,S,C
oder Leerstelle

Die Toxizität dieser Verbindungsklassen ist um Größenordnungen höher als die der PCSD.

Im insektiziden Textilschutz werden EULAN-Produkte wie EULAN WA NEU in Naßprozessen bei Temperaturen bis 100°C wie "farblose" Farbstoffe auf Wolle (oder andere Naturfasern) aufgetragen. So ausgerüstete Wolle wird bei der Weiterverarbeitung zu Teppichen und Teppichböden mit einem meist textilen Rücken bei Temperaturen zwischen 100 und 200°C verschweißt. Sowohl beim ersten als auch beim zweiten Fertigungsschritt werden eingesetzte PCSD-Rezepturen nennenswert thermisch belastet und dabei unbeabsichtigt möglicherweise Verbindungen vom Dioxin-Typus produziert.

Zusammengefaßt heißt das:

Die Toxizität der PCSD - obwohl ihrerseits schon sehr beachtlich - repräsentiert nur einen Teil der Toxizität, die für den Verbraucher von einem mit EULAN WA NEU oder mit EULAN U 33 ausgerüsteten Wollmaterial ausgeht. Weder zur Toxizität der Metaboliten noch zum Ausmaß toxisch-kritischer thermischer Prozesse bei der Verarbeitung der Produkte liegen ausreichende Daten vor.

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Diskussion

In Anbetracht der Tatsache, daß es sich bei den PCSD und ihren Metaboliten PCAD um weitverbreitete, persistente und vorzugsweise in Wohn-Innenräumen zum Einsatz gebrachte Umweltchemikalien mit vergleichsweise hohem toxischen Potential handelt, ist die Datenlage zu diesen Stoffen erstaunlich schmal.

Dies deutet darauf hin, daß es bei der Betrachtung dieser Stoffe unter Vorsorge-Aspekten eine Reihe schwerwiegender Mißverständnisse gegeben haben könnte.

In erster Linie ist hier möglicherweise der Umstand von Bedeutung, daß bereits der Begriff des "Aufziehens" der Zubereitung auf Wolltextilien eine Bindungsstärke zwischen beiden suggeriert, die eine Freisetzung und unkontrollierte Verbreitung der Wirkstoffe in Umweltmedien als sehr unwahrscheinlich erscheinen läßt. Die Hochsieder-Eigenschaft der PCSD und der PCAD könnte diese Erwartung vielleicht noch verstärkt haben. Vielleicht hat das Fehlen einer Zulassungspflicht für insektizide Teppichausrüstungsmittel hier seinen Grund.

In zweiter Linie muß wohl die Persistenz der PCSD und der PCAD unterschätzt worden sein. Anders ist kaum zu erklären, daß diese Stoffgruppe bei keiner Altlasten-Betrachtung in Erscheinung tritt und bisher ohne Primärvorsorge-Behandlung geblieben ist.

Nicht auszuschließen ist leider auch, daß mit Wissen um eine durchschnittliche Verwendungsdauer von Teppichböden von 6-7 Jahren auf ein baldiges Verschwinden der PCSD / PCAD-Quellen nach dem Produktionsende von EULAN WA NEU und EULAN U 33 spekuliert worden ist. Dabei ist allerdings übersehen worden, daß für hochwertige Wollteppiche die Nutzungsdauer viel höher angesetzt werden muß.

Menschen, aus deren Wohnräumen die untersuchten Hausstäube stammen, haben beim Vorliegen mittlerer bis hoher PCSD / PCAD-Konzentrationen zum Teil jahrelange Krankengeschichten vorzuweisen.

Die Erforschung eines möglichen Zusammenhangs zwischen diesen Krankengeschichten und einer PCSD-Exposition erscheint uns geboten und die Einführung eines Maßstabes zur Primärvorsorge geradezu zwingend.

Wir halten den in unserer Untersuchung ermittelten Median für die Summe der PCSD- und PCAD-Konzentration in Hausstäuben von 2 µg/g für einen geeigneten Vorsorgewert.

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Literatur

1. K. Wolf, I. Hammers u. U. Altenhofer, Motten- und Käferschutz heute, Melliand Textilberichte 8, 1995, 596 - 600

2. Schriftliche Mitteilung der Fa. Bayer AG an das ARGUK-Umweltlabor vom 28.02.1996

3. Schriftliche Mitteilung der Fa. Bayer AG an das ARGUK-Umweltlabor vom 18.04.1996 und vom 24.04.1996

4. Fa. Bayer AG, März 1985

5. Ausgabedatum: 11.02.1987

6. BAYER Leverkusen; EULAN WA NEU / EULAN U 33, 1986, persönliche Mitteilung

7. Schriftliche Mitteilung des BgVV an das ARGUK-Umweltlabor vom 30.04.1996

8. Schriftliche Mitteilung des Umweltbundesamtes (UBA) an das ARGUK-Umweltlabor vom 09.12.1996

9. Umwelt-Survey Band IIIa Wohn-Innenraum; Spurenelementgehalt im Hausstaub, WaBoLu-Hefte 2/1991, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes

10. Krause C., Fachgebiet V.4.3. des UBA, Persönliche Mitteilung

11. D.E. Wells, The Isolation and Identifikation of Polychloro-2-(Chloromethylsulfonamide)-diphenylether isomers and their metabolites from EULAN WA NEU and fish tissue by gas-chromatography - mass spectrometry, Analytica Chimica Acta, 104, 1979, 253-266

12. K. Wrabetz, H. Scheiter u. D. Meek, Fresenius Z. Anal. Chem., 271 (1975) 272

13. Pyrethroide im Hausstaub - Eine Übersicht, WaBoLu-Hefte 3/1994, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Bundesgesundheitsamtes

14. B. Liebl., M. Kaschube, G. Kerscher, E. Roscher, R. Schmied u. U. Schwegler; Beurteilung von Holzschutzmittelbelastungen in Innenräumen, Gesundh.-Wes. 57, 1995, 476-488

15. G. Riehm, Schwermetalle im Innenraum - Nachweis und Vorkommen in Hausstaub und Materialien, Frankfurt/M. 1994

16. E. Richter, Aromatische Amine, S. 492 ff;
A. Somogyi u. K.E. Appel, Regulatorische Toxikologie, S. 821 ff;
D. Neubert, Möglichkeiten und Methoden der quantitativen Risikoabschätzung, S. 840 ff;
in: H. Marquardt u. S.G. Schäfer (Hrsg.): Lehrbuch der Toxikologie, Mannheim, 1994

17. W. Rotard, Aktuelles zur Dioxinproblematik - Ableitung von Dioxinrichtwerten für die Bodensanierung, Bundesgesetzblatt 4/91, S. 155

 

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